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Armut und Sozialstaat
Am 29. September findet in Österreich die Nationalratswahl statt. Im Vorfeld dieser Wahl hat die Katholische Sozialakademie Österreichs (ksœ) einen Fragenkatalog erarbeitet, der aus insgesamt 20 Fragen besteht und an alle Parlamentsparteien versendet. Bis zur Nationalratswahl 2024 veröffentlichen wir hier jeden Tag eine neue Frage und die Antworten der Parlamentsparteien.
Frage 6/20: Wie beurteilen Sie die Situation von Menschen in Österreich, die von Armut betroffen sind, und welche Aspekte des Sozialstaats halten Sie in diesem Zusammenhang für reformbedürftig? Welche Leitbilder haben Sie dazu?
Kommentar der ksœ Die Komplexität von Armut geht weit über den Mangel an finanziellen Mitteln hinaus. Eine wirksame und ... |
... nachhaltige Strategie zur Armutsbekämpfung muss daher ganzheitlich angelegt sein. Sie umfasst nicht nur monetäre Unterstützung und Reformen im Sozialsystem, sondern legt ebenso großen Wert auf präventive Maßnahmen, Bildungsangebote, gezielte Beratung und andere Sachleistungen. Zentral ist dabei ein Ansatz, der die Würde der von Armut betroffenen oder bedrohten Menschen in den Mittelpunkt stellt und ihnen mit Respekt und Verständnis begegnet. Nur so kann ein nachhaltiger Weg aus der Armut geebnet werden. Die politische Auseinandersetzung um Verteilungsfragen erfordert jedenfalls Feingefühl und Respekt. Vor allem armutsbetroffene Menschen dürfen nicht stigmatisiert oder ihnen Faulheit und Passivität unterstellt werden.
Hinweise:
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ÖVP |
Es ist unsere gesellschaftliche Verantwortung und Aufgabe der Sozialpolitik, eine Existenzsicherung zu gewährleisten, am besten durch Teilhabe am Erwerbsleben. Die Volkspartei bekennt sich in der Bundesregierung zum Prinzip der Armutsbekämpfung und fördert eigenständiges und wirtschaftlich unabhängiges Erwerbsleben. Wichtig ist, dass sich Leistung lohnen muss. Deshalb braucht es, wie es bereits in unserem Österreichplan gefordert wird, eine Reform unseres Steuersystems. Der Eingangssteuersatz soll von 20 auf 15 Prozent gesenkt werden, um geringe Einkommen zu verbessern. Außerdem soll mit einem Vollzeitbonus in Höhe von 1.000 Euro eine Aufstockung der Arbeitsstunden attraktiver werden. |
SPÖ |
Österreich hat einen starken Sozialstaat, auf den wir zu Recht stolz sein können. In den letzten Jahren hat sich die Lage für viele armutsbetroffene Menschen jedoch drastisch verschlechtert. Um kurzfristig Druck aus der Situation zu nehmen, müssen wir die Teuerung bekämpfen. Dazu gehört das Einfrieren der Mieten bis 2026 und danach eine Begrenzung des Mietanstiegs auf maximal 2 Prozent pro Jahr. Zudem fordern wir das sofortige temporäre Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs und die Einrichtung einer schlagkräftigen Anti-Teuerungskommission. Weiters setzen wir uns für die Regulierung des Energiemarkts ein mit dem Ziel, dass sich die Energiepreise an den Produktionskosten orientieren. Schließlich fordern wir eine befristete, zielgerichtete Übergewinnbesteuerung für Konzerne, die von der Teuerung unverhältnismäßig profitiert haben.
Langfristig muss an vielen Schrauben gedreht werden, um Armut nachhaltig zu bekämpfen. Eine wesentliche Maßnahme in diesem Zusammenhang ist die Einführung der Kindergrundsicherung. Damit wollen wir sicherstellen, dass jedes Kind in Österreich die gleichen Chancen auf Bildung und Entwicklung hat, unabhängig von der finanziellen Situation der Eltern. Die Kindergrundsicherung ist ein zentraler Baustein, um Kinderarmut zu beenden und jedem Kind ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen. |
FPÖ |
Falsche Weichenstellungen in der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik durch die schwarz-grüne Regierung in den vergangenen Jahren haben dazu geführt, dass ein immer größerer Teil der Bevölkerung in Richtung Armutsfalle abrutscht. Aktuell sind auch Teile des Mittelstandes, ob Arbeitnehmer oder kleine Unternehmer, Familien und Pensionisten durch steigende Preise und die Inflationsentwicklung von einem Abrutschen in die Armutsfalle betroffen. Durch die Neuaufstellung der Wirtschafts-, Sozial- und Familienpolitik mit einem Inflationsstopp, dem Schutz der eigenen ökonomischen Ressourcen unseres Landes und einem Stopp der Einwanderung in unseren Sozialstaat durch illegale Einwanderer muss eine Wende herbeigeführt werden. |
GRÜNE |
Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt und es ist einer zivilisierten Gesellschaft unwürdig, dass Menschen sozial ausgegrenzt sind. Vergleichsweise geringe Veränderungen würden das Leben der 385.000 mehrfach ausgrenzungsgefährdeten Menschen deutlich verbessern. Dazu zählt etwa eine substanzielle Reform der Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung, die die kontraproduktiven Härten der türkis-blauen Sozialhilfe aus 2018 beendet. Diese Hilfe muss insbesondere schnell, unbürokratisch und umfassend erfolgen und mit intensiver Beratung, Betreuung und Begleitung auf die Überwindung der Ursachen einer Notlage hinarbeiten.
Wir konnten in dieser Regierungsperiode jedenfalls die Sozialleistungen valorisieren und die kalte Progression abschaffen. Im Zuge einer Grünen Grundsicherung – unser Leitbild und Ziel – muss auch die Schnittstellenproblematik zwischen den verschiedenen Elementen des österreichischen Sozialsystems, die bisweilen nicht gut zusammenarbeiten, überwunden werden.
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NEOS |
In einem wohlhabenden Land wie Österreich darf es erst gar nicht dazu kommen, dass Menschen – vor allem Kinder – von Armut betroffen sind. Wir müssen Armut verhindern, bevor sie entsteht. So hat Vizebürgermeister Christoph Wieder (NEOS Wien) etwa unter dem Titel „Kein Kind zurücklassen“ ein großes Paket zur Bekämpfung von Kinderarmut im Bildungsbereich verabschiedet.
Wir sehen in Österreich trotz der Krisen der vergangenen Jahre einige Erfolge, weil in Österreich etwa die Quote von erheblich materiell sozial benachteiligten Menschen zum Glück seit 2015 mit leichten Auf und Ab’s sinkt: Von ca. 3,6 % im Jahr 2015 auf ca. 2,3 % im Jahr 2022. Und auch das Phänomen von erheblich materiell und sozial benachteiligten Kindern ist in Österreich seit 2015 rückläufig. Das sind gute Nachrichten. Wir sehen allerdings, dass sich gerade in der Teuerungskrise ab 2022 die Lage für viele Menschen besonders verschärft hat. Und dass das System oft zu bürokratisch und zu wenig treffsicher ist, trotz der historisch und im internationalen Vergleich hohen Sozialquote in Österreich. Unsere Vision ist ein liberales Bürgergeld, mit dem wir eine einheitliche und gerechte Lösung statt unterschiedlichster, schwer zu überblickender Töpfe schaffen. Damit werden Zugang und Verwaltung vereinfacht und Bedürftige haben nur noch eine Behörde als Ansprechpartner.
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