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23.4.2020
Dem Populismus widerstehen
Autorin: Margit Appel
Arbeitshilfe der deutschen Bischofskonferenz zum kirchlichen Umgang mit rechtspopulistischen Tendenzen
Was für eine gelungene „Arbeitshilfe“, im besten Sinn des Wortes! Bereits auf den ersten Seiten der Publikation machen Erzbischof Heße, Bischof Bode und Bischof Ackermann in ihrem Vorwort unmissverständlich klar, wie der Populismus die katholische Kirche Deutschlands herausfordert. Populismus setzt im Namen der Tradition deutscher Kultur auf Ausgrenzung all jener, die nicht „seit jeher“ zu dieser Tradition gehören. Populismus sät Misstrauen und Zwietracht zwischen denen, die sich für schutzsuchende Menschen engagieren und jenen, die gegenüber geflüchteten Menschen skeptisch sind. Populismus verführt zu Schwarz-Weiß-Malerei und Kleingeistigkeit, verspricht einfache Antworten und ist schnell im Urteil. Populismus meidet jede differenzierte Argumentation.
Christlicher Glaube im Widerspruch zu populistischen Positionen
Dieser Populismus, so die Bischöfe, hat sich bis tief in die Mitte der deutschen Gesellschaft hineingefressen. Er findet sich in politischen Parteien, auch denen „der Mitte“, sowohl in deren politischen Führungspersonal als auch in ihrer WählerInnenschaft. Mit besonderer Besorgnis wird aber auf den Umstand geschaut, dass populistische Ansichten und Einstellungen „inmitten unserer Kirche: in Pfarrgemeinden, in kirchlichen Gemeinschaften und Verbänden“ (7) zu finden sind. Dagegen wird klargestellt, dass der christliche Glaube und die katholische Tradition der Weltkirche im Widerspruch zu entscheidenden Positionen des Populismus stehen.
Politischer Streit wird Kampf, politische GegnerInnen Feinde
Die folgenden sechs großen Kapitel sind nach diesen die Kirche herausfordernden Positionen des Populismus gegliedert. Im ersten Kapitel geht es um Phänomene des Rechtspopulismus wie seine antidemokratische Aneignung des Begriffs „Volk“ und seine Ablehnung der Menschenrechte. Im zweiten Kapitel werden Strategien und Inhalte rechtspopulistischer Bewegungen in all ihrer Destruktivität für die Demokratie benannt, wie die Inszenierung von Tabubrüchen, die Erreichung öffentlicher Aufmerksamkeit durch Skandalisierungen, die Inszenierung als Opfer anderer politischer Kräfte, das Betreiben von Verschwörungstheorien. Die einzelnen Kapitel sind durchzogen von Selbstbefragungen und Reflexionen, wie etwa zu den Wahlerfolgen rechtspopulistischer Parteien. Verweisen diese nicht auf Mängel im politischen Betrieb? Könnte es nicht doch um die Schließung von Repräsentationslücken gehen? Gehört Auseinandersetzung nicht zur Politik? Selbst wenn alle diese Facetten ihre Berechtigung haben ist ihre Schattenseite klar zu benennen: „Wo rechtspopulistische Akteure auftreten, wird der politische Streit zum Kampf und werden politische Gegner zu Feinden.“ (25)
Behauptung von „Christlichkeit“ im Widerspruch zu Kirchen
Die weiteren Kapitel widmen sich den rechtspopulistischen „Leib- und Magenthemen“ Flucht und Asyl, Islam und Islamfeindlichkeit, Familienbilder / Frauenbilder / Geschlechterverhältnisse, Identität und Heimat. Es sind diese Themen, bei denen rechtspopulistische AkteurInnen am ehesten damit durchzukommen meinen, ihre Ideologien als ureigene „christliche“ Positionen behaupten zu können und Allianzen zwischen Kirchen(volk) und rechten AkteurInnen als naheliegend zu betrachten. Widerspruch der Kirchen schreckt nicht ab. Dann behaupten rechte AkteurInnen ihre „Christlichkeit“ eben im Widerspruch zu den Kirchen und bezichtigen kirchliche Amtsträger oder auch ganze Kirchen des Verrats am Christentum.
Kirchliche Verantwortung angesichts rechtspopulistischer Politik
Das Engagement von ChristInnen ist ganz eindeutig gefragt, wenn das demokratische Gemeinwesen geschädigt wird, Ideologien der Ungleichwertigkeit verbreitet werden, Solidarität abnimmt und Ressentiments wachsen. In der politischen Debatte um die Zukunft hat die Kirche ganz klar für ein Mehr an Miteinander, Zugehörigkeit und Teilhabe zu stehen. „Jeglichem Versuch, das Christentum als Mittel der Ausgrenzung von Menschen anderer Herkunft zu missbrauchen oder gar völkisch umzudeuten, muss sich die Kirche weiterhin widersetzen.“ (32)
In dem mit „Pastorale Anregungen“ überschriebenen letzten Abschnitt der Arbeitshilfe werden vier Aufforderungen im Umgang mit der Herausforderung des Rechtspopulismus formuliert: die Engagierten stärken, Dialog ermöglichen, die Geister unterscheiden, mit negativen Emotionen umgehen lernen. Der hier erwähnten verantwortlichen Haltung, Dialog zu ermöglichen, wohnt keine Naivität inne. Denn an anderer Stelle wird ganz klar gesagt: „Wir wollen verstehen. Aber Verstehen heißt nicht automatisch Verständnis. Wir können kein Verständnis zeigen für eine Politik auf dem Rücken unschuldiger Opfer. Manchmal behaupten Populisten, dass ihre Positionen mit kirchlichen Positionen übereinstimmen – etwa mit Blick auf den Lebensschutz, Achtung der Familie, die Bedeutung des Christentums in der Gesellschaft oder die Wertschätzung von Heimat. Doch der Schein trügt: Wir stimmen nicht überein.“ (8)
Kritische Würdigung
Die Art und Weise, wie in den einzelnen Kapiteln eine der Ernsthaftigkeit der Sache entsprechende konzentrierte Information, Selbstreflexion und verantwortliche Positionierung gelungen ist, ist beachtlich. Lediglich das fünfte Kapitel zu Familienbilder, Frauenbilder und Geschlechterverhältnissen hätte in den Schlussfolgerungen für das kirchliche Handeln überzeugender, mutiger ausfallen können. Und generell fällt auf, dass Homophobie als eine ganz wesentliche Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit rechtspopulistischer AkteurInnen nicht genannt ist und der Umgang mit den Beziehungen gleichgeschlechtlicher Menschen als Herausforderung für das katholische Verständnis von Geschlechtlichkeit fehlt.
Die vorliegende Publikation ist durch Beratungen in der Migrationskommission, der Pastoralkommission und der Deutschen Kommission Justitia et Pax – die schon genannten Bischöfe sind die Vorsitzenden dieser Kommissionen – sowie durch Vorarbeiten einer AutorInnengruppe entstanden. Diese Gruppe wurde von Andreas Lob-Hüdepohl (Katholische Hochschule Berlin) koordiniert, ihr gehörte aus Österreich Regina Polak (Universität Wien) an. Die bereits beschriebenen inhaltlichen Teile sind ergänzt durch eine ganze Reihe von Praxisbeispielen des kirchlich-zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Rechtspopulismus bzw. für eine Gesellschaft und Kirche, in der die gleiche Würde aller Menschen die unhintergehbare Leitlinie ist. Wäre schön, wenn es auch in der einen oder anderen österreichischen Diözese bald ein „Kompetenzzentrum für Demokratie und Menschenwürde“ gibt (der Hinweis darauf findet sich bei den erwähnten Praxisbeispielen) – so wie seit 2018 in Freising und in Nürnberg!
Quellenangabe:
Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz / Bonn, www.dbk.de (Herausgeber), Dem Populismus widerstehen. Arbeitshilfe zum kirchlichen Umgang mit rechtspopulistischen Tendenzen. Arbeitshilfe Nr.305, 73 Seiten. Erschienen Juni 2019