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28.5.2020
Es geht ums Geld
Autorin: Marianne Schallhas
Koste es, was es wolle! Mit diesen Worten stellte unsere Bundesregierung zu Beginn der Covid-19-Pandemie in Österreich ein 38-Milliarden-Euro-Hilfspaket in Aussicht, um ein Zusammenbrechen der Wirtschaft und Massenarbeitslosigkeit zu verhindern. Mittlerweile wissen wir, dass zur Bewältigung der krisenbedingten wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen bedeutend mehr finanzielle Mittel erforderlich sein werden.
Wir wissen auch, dass das riesige Summen sind und dass dafür Kredite auf den Finanzmärkten aufgenommen werden sollen. Die Staatsschulden werden in die Höhe schnellen. Sie sollten jedoch, zumindest aus heutiger Sicht, für Österreich noch einigermaßen verkraftbar sein, weil es auf den Finanzmärkten ein gutes Rating hat und mit niedrigeren Zinsen rechnen kann.
Viel schlimmer trifft die Krise Staaten, die ohnehin bereits jetzt wesentlich höher verschuldet sind als Österreich, zum Beispiel Italien oder Spanien. Diese Länder allein den Finanzmärkten zu überlassen, hätte schwerwiegende Folgen für den Euro und die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Daher müssen ihnen die finanzstärkeren Euroländer im eigenen Interesse helfend unter die Arme greifen. Das Wie ist umstritten. Der jüngste Vorschlag der EU-Kommission umfasst einen Wiederaufbaufonds in Höhe von 750 Milliarden Euro, 500 Milliarden davon sollen als nicht rückzahlbare Zuwendungen, 250 Milliarden als Kredite fließen. Finanziert soll das Programm über eine gemeinsame EU- Schuldenaufnahme werden.
Sollte der Vorschlag von den 27 EU-Staaten angenommen werden, wäre das zwar ein beachtlicher Akt europäischer Solidarität, das grundsätzliche Problem der viel zu großen politischen Macht der Finanzmärkte bliebe dennoch weiter akut. Daher sollte die Coronakrise dringend zum Anlass genommen werden, weitergehende geld- und währungspolitische Reformen ins Auge zu fassen. Die derzeit aktuellsten alternativen Vorschläge betreffen die Geldschöpfung.
Die Europäische Zentralbank soll die Staaten direkt finanzieren dürfen
Eine relativ moderate, immer wieder auftauchende Forderung ist, dass die Europäische Zentralbank die Eurostaaten direkt finanzieren soll. Unser heutiges Geldsystem ist ein Kreditgeldsystem. Neues Geld entsteht, indem die Nationalbank Kredite an die Geschäftsbanken vergibt. Auf der Basis dieses Nationalbankgeldes und unter Einhaltung bestimmter Regeln dürfen die Geschäftsbanken ihrerseits dann ein Vielfaches an Krediten an ihre KundInnen vergeben, sodass der Großteil der vorhandenen Geldmenge Giralgeld der Geschäftsbanken und nicht Zentralbankgeld ist. Nach derzeitiger Rechtslage dürfen auch die Staaten nur bei den Geschäftsbanken und nicht bei der Zentralbank Geld leihen. Staatsanleihen sind daher für die Banken in der Regel ein gutes und sicheres Geschäft.
Diese Gepflogenheit gerät zunehmend unter Kritik. Der ehemalige Weltbankdirektor Kurt Bayer, der Attac Österreich als Finanzexperte unterstützt, forderte schon bei Verhängung der ersten harten Coronamaßnahmen, dass die Finanzierung der Staaten endlich den profitorientierten spekulativen Finanzmärkten entzogen werden müsse. Daher sollte das Verbot direkter Staatsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank (EZB) fallen. Diese könnte den Staaten direkt nahezu zinsenloses Geld zur Verfügung stellen, wie dies andere Zentralbanken, z.B. die US-Notenbank, schon tun. Außerdem umgehe die EZB das Verbot ohnehin bereits, indem sie von Banken und Fonds Staatsanleihen aufkauft. Viel wirksamer und kostengünstiger wäre es, wenn die EZB Staatsanleihen ohne diese Umgehungksonstruktion kaufen dürfte.1
Der gesamte Geldschöpfungsgewinn soll der Allgemeinheit zugute kommen
Wesentlich weiter gehen die Forderungen der Mitgliedsorganisationen der Bewegung „International Movement for Monetary Reform“, die sich dafür einsetzen, dass die EZB neues Geld nicht als Kredit, sprich Schuld, in Umlauf bringt, sondern durch Direktzahlungen an die Staaten. Dieses Geld sollte dann entweder als Beitrag zu einem Grundeinkommen an die BürgerInnen ausbezahlt oder für dringend erforderliche öffentliche Investitionen eingesetzt werden, in der EU zum Beispiel für Projekte im Rahmen des „Green Deal“. Dadurch würde vermieden, dass das Geld zu Spekulationen auf den Finanzmärkten missbraucht wird. Es würde direkt bei den Menschen und in der Realwirtschaft ankommen und die Schuldenberge nicht erhöhen.
Fernziel der Bewegung ist eine grundsätzliche Reform der Geldschöpfung zugunsten des Gemeinwohls, indem die Geldschöpfung vollständig den Zentralbanken übertragen wird. Im Klartext, die Banken dürften nur Darlehen vergeben, die vollständig durch Nationalbankgeld gedeckt sind, denn Geld sei ein öffentliches Gut. Dadurch käme der gesamte Geldschöpfungsgewinn der Allgemeinheit zugute, während er im jetzigen System hauptsächlich den Geschäftsbanken zufließt. Im englischsprachigen Raum laufen zu diesem Anliegen Kampagnen unter dem Namen Positive Money oder Sovereign Money, im deutschsprachigen Raum unter der Bezeichnung Vollgeld. 2018 fand in der Schweiz sogar eine Volksabstimmung darüber statt.2
Mit Parallelwährungen könnte die Resilienz der Regionen gestärkt werden
Mit sich weiter zuspitzender Krise könnten auch die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich durch regionale Parallelwährungen ergeben, wieder stärker ins Bewusstsein gerückt werden. Dies gilt nicht nur für den kleinräumigen Bereich, wie bei dem Wunder von Wörgl in der Zwischenkriegszeit oder den heutigen Tauschkreiswährungen, von denen einige recht erfolgreich sind.
Im Zuge der Finanzkrise von 2008 kursierten zum Beispiel auch Vorschläge für eine nationale griechische Parallelwährung zum Euro. Mit dieser, vielleicht Greco genannten Währung hätte der Staat für die Binnenwirtschaft ausreichend Geld zur Verfügung stellen können, um den Austausch der vorhandenen Güter und Dienstleistungen zu ermöglichen. Die Arbeitslosigkeit wäre nach Meinung der BefürworterInnen weniger stark gestiegen, wodurch viel Leid verhindert worden wäre. Den Euro hätte man beibehalten, aber vorwiegend für den Außenhandel verwendet.3
In gut konstruierten Regionalwährungen schlummert die Chance, die Resilienz von Regionen zu stärken und Krisenzeiten besser zu bewältigen.
Wir brauchen eine globale demokratische Geldordnung
Besser bekannte, aber leider noch immer nicht umgesetzte Forderungen betreffen die großen Geldvermögen, die Finanzmärkte und eine Neuordnung des Weltwährungssystems. Warum gibt es noch immer keine Finanztransaktionssteuer, die die schädlichen Spekulationsgeschäfte zumindest etwas eindämmen könnte? Das Geld wäre in der Armutsbekämpfung gut angelegt. Warum gibt es keine stärkeren Anstrengungen, die Steueroasen zu schließen und die Finanzmärkte zu regulieren? Dann wäre es auch erfolgversprechender, einen kräftigen Solidarbeitrag der Superreichen einzufordern Wie könnte erreicht werden, dass Zinsen und Inflation dauerhaft um Null pendeln, weil beides die Ärmsten am stärksten trifft? Warum gibt es noch immer kein Insovenzrecht für Staaten, statt sie am Tropf der Neuverschuldung hängen zu lassen und ihnen sozial unverträgliche Auflagen zu verordnen?
Längst überfällig ist auch eine demokratische Reform des Weltwährungssystems, bei der die Leitwährungsfunktion des US Dollars abgelöst wird. Der Ökonom John M. Keynes vertrat schon auf der großen Weltwährungskonferenz 1944 in Bretton Woods die Position, dass es besser wäre, eine eigene Verrechnungseinheit für den internationalen Handel zu schaffen. Ergänzend dazu schlug er einen Ausgleichsmechanismus gegen einseitige große Handelsdefizite vor, um eine gerechtere und harmonische globale Wirtschaftsentwicklung sicher zu stellen. Seine Ideen inspirieren gemeinwohlorientierte ÖkonomInnen bis heute.4
Der Ökonom Richard Douthwaite prägte vor etwa 20 Jahren den Begriff „Ökologie des Geldes“.5 Er wollte damit zum Ausdruck bringen, dass das Geld in Wechselwirkung mit seinem Umfeld steht, dass Geld also nicht neutral ist, sondern dass ein bestimmtes Geldsystem ganz spezifische Auswirkungen auf die Gesellschaft hat. So gesehen drängt sich die Frage auf, wie das Geld der Zukunft konstruiert sein müsste, wenn wir lokal bis global eine demokratische, solidarische Wirtschaftsweise anstreben. Es ist erfreulich, dass sich an den Wirtschaftshochschulen weltweit zunehmend mehr Studierende für solche Themen interessieren und für eine plurale Wirtschaftswissenschaft einsetzen. Die öffentliche Hand sollte diese Ansätze massiv fördern, denn eine gute Politik braucht für gute Entscheidungen vielfältige sinnvolle Optionsmöglichkeiten. Im Lichte der sozialen und ökologischen Weltsituation kommt es einem Wettlauf mit der Zeit gleich, solidarökonomische und gemeinwohlorientierte Thinktanks und Initiativen verschiedenster Art aufzubauen und zu unterstützen. Bleibt zu hoffen, dass die Coronakrise diese Entwicklung beschleunigt.
Anmerkungen
2) https://internationalmoneyreform.org/ , https://www.vollgeld-initiative.ch/ , https://www.wienerzeitung.at/meinung/gastkommentare/2055171-Wirtschaft-und-Notleidende-finanzieren-aber-wie.html
3) Siehe zum Beispiel https://monneta.org/wp-content/uploads/2015/10/16-19-gelleri-deutsch-web.pdf oder das Taxos-Projekt von Ernst Dorfner: http://www.arge-gerecht-wirtschaften.at/03c1989d110d7ae01/index.html
4) Viele Reformvorschläge vom lokalen bis zum globalen Bereich finden sich z.B. in dem Buch von Christian Felber „Geld. Die neuen Spielregeln“, Deuticke 2014 bzw. auf seiner Website: https://christian-felber.at/
5) https://www.feasta.org/documents/moneyecology/contents.htm