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19.4.2023
Wie die Zukunft besser schmecken könnte
Autor: Bernd Wachter
Franz Küberl, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates der ksœ, feiert am 22. April 2023 seinen 70. Geburtstag. Der Langzeit-Präsident der Caritas Österreich (1995-2013) war über viele Jahre hinweg das weltoffene Gesicht von Caritas und Kirche. Zu seinem 70. Geburtstag hat er ein neues Buch geschrieben. Der Titel ist zugleich sein Lebensmotto: „Zukunft muss nach Besserem schmecken“.
Wer sich mit Franz Küberl in ein Gespräch vertieft, wird es zu schätzen wissen: Er ist ein Diskutant mit großartigem Weitblick und intellektueller Tiefe, er ist ein guter Zuhörer, und wenn es gar zu steil wird, dann fehlt ihm nie der ihn auszeichnende, liebenswürdige Schmäh. So liest sich auch sein im Tyrolia-Verlag erschienenes Buch mit einer gewissen Leichtigkeit, gepaart mit Tiefgang und analytischer Schärfe. Küberl spannt darin den Bogen von seinem persönlichen Glauben, seiner Verwurzelung in der katholischen Kirche – mit ihrer Vielfalt und ihrem Reformstau – bis hin zu den großen gesellschaftlichen Herausforderungen und von Küberl formulierten Zukunftstugenden, um diese auch zu meistern.
Gegenwind und Standfestigkeit
Immer wieder greift Küberl in seinem neuen Buch den Marktplatz des öffentlichen Lebens, die Agora, mit all seinen Akteuren auf. Ihm ist es wichtig, dass sich Kirche auf diesem Marktplatz mit Argumenten bemerkbar macht und diese Kapazität auch in Zukunft gegeben ist. Er selber tat und tut dies in leidenschaftlicher Weise. Nicht immer zur großen Liebe kirchlicher und politischer Autoritäten. Küberl hat oft unbequeme Themen auf den Tisch gelegt oder – besser formuliert: auf der Agora in die kirchlichen und gesellschaftlichen Debatten eingebracht. Als Generalsekretär der Caritas habe ich es mehr als einmal erlebt, wie ihm kirchlicher und parteilicher Gegenwind (nicht selten auch aus dem sogenannten christlich-sozialen Sektor kommend) Standfestigkeit abverlangte. Es wurden ihm aber auch beachtliche politische Ämter angetragen, die ihn aber offensichtlich nie so interessierten wie die Möglichkeit, mit der Caritas da und dort ein kleines Stück bessere Welt zu gestalten. Franz Küberl war und ist ein leidenschaftlicher Vertreter einer modernen und zugleich kirchlich geprägten Caritas-Arbeit.
Leidenschaftlich für einen qualitätsvollen ORF
Einen Marktplatz, den er gleichfalls mit großer Leidenschaft bespielte, sein „intensivstes Hobby neben dem Tarockieren“ war und ist der ORF. Exakt 20 Jahre war er ehrenamtlich als Kirchenvertreter in dessen Stiftungsrat tätig. Der seinerzeitige Medienminister Gernot Blümel wünschte sich einen Generationenwechsel, und zudem ist Küberl sicher kein Jünger einer Message-Control. Also musste er seinen Sessel räumen. Damit verstummte auch in diesem wichtigen öffentlichen Gremium (s)eine pointierte kirchliche Stimme, die von vielen in und außerhalb des ORF – aber eben nicht von allen – geschätzt wurde.
Aus der Kellerwohnung an die Spitze der Caritas
Franz Küberl wurde 1953 in Graz geboren. Er wuchs in sehr bescheidenen Verhältnissen, als Hausmeisterkind in einer Kellerwohnung, auf. Oft berichtete er, wie er in seinen Kinderjahren die Welt von unten betrachten musste. Diesen aufmerksamen Blick von unten hat er sich zeitlebens erhalten – auch als Präsident der Caritas, am Verhandlungstisch von Kanzlern, Ministern und Botschaftern und in Gesprächen mit Bischöfen und Kardinälen. Wurde über die Bekämpfung der Armut verhandelt, über ein besseres System der Pflege debattiert oder über die Notwendigkeit einer Entwicklungszusammenarbeit, die eine solche Bezeichnung auch von der monetären Ausstattung her verdienen würde, so hatte er immer die Gabe, in eindrücklicher Weise von Begegnungen mit betroffenen Menschen zu erzählen. Die Armut hat so in vielen Gesprächen an Orten politischer und wirtschaftlicher Gestaltungskraft menschliche Gesichter bekommen. Er wollte über die sozialen Herausforderungen eben nie nur abstrakt debattieren, sondern empfand es als innere Verpflichtung, das Leben von konkreten Menschen „zumindest einige Millimeter“, wie er oft sagte, zu verbessern, v.a. qualitativ.
Leopold Ungar, Helmut Schüller, Franz Küberl
Franz Küberl begann seine kirchliche „Karriere“ als Ministrant in einer Pfarrgemeinde in Graz. Er engagierte sich in der Katholischen Arbeiterjugend und wuchs hinein in weitere Aufgaben und Funktionen. Bischof Johann Weber ernannte ihn Jahre später zum Direktor der Caritas der Diözese Graz-Seckau, und 1995 wurde er als erster Laie, in Nachfolge von Leopold Ungar und Helmut Schüller, Präsident der Caritas Österreich. Auf Ungar und Schüller zu folgen, das habe ihm, dem Hausmeisterkind, schon kräftigen Respekt abverlangt, erzählte er in kleiner Runde immer wieder. Er erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen: 2005 verlieh ihm die Katholisch-Theologische Privatuniversität Linz die Ehrendoktorwürde. Der seinerzeitige Bundespräsident Heinz Fischer ließ es sich 2013 nicht nehmen, das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich in der Hofburg persönlich – von Präsident zu Präsident – zu überreichen. Das Wirtschaftsmagazin Trend wählte das Kommunikationstalent Franz Küberl bereits 2009 zum Mann des Jahres. Mit dieser Auszeichnung haben wir ihn immer wieder aufgezogen, war er doch auf dem Cover des Hochglanzmagazins – ganz im Stil eines Konzern-Managers – abgebildet. Wenn es dabei (und auch bei anderen Gelegenheiten) aus seiner Sicht zu viel wurde, dann konnte er auch recht grantig und bestimmend dreinfahren. Franz Küberl ist sicherlich nicht der Typus eines harmlos-verbindlichen Kirchenvertreters. Wenn er etwas (nicht) wollte, dann sprach er Klartext und scheute sich nicht, dicke Bretter zu bohren. Am Ende – und das zeichnet ihn besonders aus – erwies er sich aber immer kompromissfähig.
Hoffnungsfroh die Zukunft im Blick
Küberl ist verheiratet, Vater von zwei erwachsenen Söhnen und lebt nach wie vor in seiner Heimatstadt Graz. Er ist leidenschaftlicher Bergsteiger und Pilger – gerne und oft nach Mariazell und auch auf dem Camino nach Santiago unterwegs. Den Grazer Hausberg Schöckl besteigt er zum Training oft mehrmals pro Woche. Im Gehen, so meine persönliche Wahrnehmung, findet Franz Küberl in ganz besonderer Weise in seine innere Spur. Gleichermaßen leidenschaftlich spielt er Tarock.
2003 überlebte Franz Küberl einen dramatischen Sturz mit Gehirnblutung und Schädelfraktur. Das Erwachen im Spital nannte er oft seinen zweiten Geburtstag. Vermutlich wird auch diese Erfahrung an seinem 70. Geburtstag in besonderer Weise in Erinnerung kommen: Gerade da habe er persönlich erfahren, wie schnell es gehen kann und man ganz und gar auf andere Menschen angewiesen ist. Das Zutrauen seiner Familie und vieler Freunde, dass er wieder auf die Beine kommt, habe sich tief eingeschrieben und ihn dankbarer, demütiger und gelassener gemacht.
Noch immer bezieht er leidenschaftlich Stellung zu großen Themen wie soziale Ungerechtigkeit, Globalisierung, Digitalisierung und natürlich zum Reformstau in der Kirche. Aber – das zeichnet auch sein lesenswertes Buch aus – seine Sicht ist hoffnungsfroh. Zu seinem 60. Geburtstag referierte Heiner Geißler, der wortgewaltige ehemalige Generalsekretär der CDU (+ 2017), im Rahmen eines Symposiums zu Ehren von Franz Küberl. Zu seinem 70. Geburtstag werden sich viele Gratulant*innen aus Kirche, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einstellen – mehr als verdient! Franz Küberl ist als Persönlichkeit ein Leuchtturm unseres Landes: ein in der Wolle gefärbter Katholik, dessen Glaube und soziales Engagement sich gegenseitig befruchten und bedingen. Ad multos annos!
Leseempfehlung: Franz Küberls Buch "Zukunft muss nach Besserem schmecken" ist kürzlich im Tyolia Verlag erschienen.