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15.4.2021
Für eine Landwirtschaft mit Zukunft!
Die Herausforderungen für Bauern und Bäuerinnen sind massiv
Klima- und Biodiversitätskrise, niedrige Einkommen, Höfesterben und ungerechte Verteilung. Die Herausforderungen für Bauern und Bäuerinnen sind riesig. Zugleich wird jetzt die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) reformiert und mit der „Farm-to-Fork“-Strategie steht ein Wandel im Raum. Was heißt das für die Zukunft?
In der Landwirtschaft werden viele gesellschaftliche und ökologische Krisen sehr unmittelbar sichtbar und spürbar. Wenn sich das Klima – etwa in Form von häufigeren Extremwetterereignissen – verändert und wenn es weniger Bienen gibt, dann stellt das vor große Probleme. Zugleich zeigen bäuerliche Initiativen und Bewegungen seit langem, dass es sehr viele Lösungen gibt: Biolandwirtschaft, Agrarökologie, solidarisch wirtschaftende Netzwerke und Allianzen, mehr Vielfalt auf den Höfen, Weiden und Äckern. Das ist alles Teil der Lösung und hier braucht es Unterstützung, kreative Ideen und Mut. Das macht Hoffnung. Aber ein Punkt ist für uns eindeutig: Ein nachhaltiges Nahrungsmittelsystem, das der gesamten Bevölkerung gesunde Ernährung garantiert, ländliche Gebiete belebt und die biologische und kulturelle Vielfalt schützt und weiterführt, braucht mehr Bauern und Bäuerinnen.
Doch es gibt ein Problem, das alles durchzieht: Das „leise Sterben“ der Höfe. Es gibt immer weniger Höfe. Doch genau diese Vielfalt der Höfe, kleinstrukturierte Landwirtschaft und kleinbäuerliche Antworten sind jetzt gefragt. Genau dafür gibt es heute den Bedarf. Nur so können wir Antworten auf die Zukunft finden, die zugleich ökologisch nachhaltig und sozial gerecht sind. Nach Jahrzehnten des Höfesterbens und damit verbunden dem Abbau von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft ist es an der Zeit, eine Trendwende einzuläuten. Die aktuelle Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) und die Neuverteilung von Steuergeldern bieten eine historische Chance, die landwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zukunftsfähig zu gestalten.
Es braucht mehr Bauern und Bäuerinnen!
Als Österreichische Klein- und Bergbäuer_innen Vereinigung (ÖBV-Via Campesina Austria) fordern wir deshalb in unserer Petition die doppelte Förderung der ersten 20 ha, um die Einkommen von Klein- und Mittelbetrieben und damit die Vielfalt und Kleinstrukturiertheit der Landwirtschaft zu stützen. Diese Maßnahme soll durch eine gerechtere Umverteilung innerhalb der Direktzahlungen finanziert werden. Kleine und mittlere Höfe bilden das Rückgrat des ländlichen Raumes. Wollen wir weiterhin lebendige Strukturen am Land, dann muss die Existenz dieser Höfe abgesichert werden. Es braucht attraktive Arbeitsplätze und Einkommen gerade auch für junge Menschen.
Wir begründen unsere Forderung erstens mit der schlechten und ungleichen Einkommenslage. Die Einkommensverhältnisse sind in den kleineren Betrieben ohnehin ungünstiger, denn größere Betriebe haben beispielsweise bei Ein- und Verkäufen deutliche Vorteile, die sich aus Rabatten bei größeren Einkaufsmengen und aus Aufschlägen auf größeren Liefermengen ergeben. Zweitens sehen wir die Notwendigkeit einer „Agrarstrukturförderung“ (der durchschnittliche Hof in Österreich bewirtschaftet 19,8 ha). Die Klein- und Mittelbetriebe schaffen die meisten Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Deren Bedeutung wird unter Bedingungen der Krise von Klima, Wirtschaft und Gesellschaft noch weiter zunehmen. Wir brauchen mehr Bauern und Bäuerinnen für einen lebendigen ländlichen Raum. Die Gesellschaft will eine kleinstrukturierte bäuerliche Landwirtschaft und diese soll auch gefördert und gesichert werden. Das wäre ein echtes Signal: Landwirtschaft hat Zukunft! Und drittens: Diese Maßnahme kann mit vielen Schritten kombiniert werden, die einen sozial gerechten und ökologisch zukunftsfähigen Umbau der Landwirtschaft einleiten. Denn wenn das Einkommen zum Auskommen fehlt, dann ist es nahezu unmöglich, über ökologischen Wandel nachzudenken. Zusätzlich argumentieren wir mit ökologischen Vorteilen einer kleinstrukturierten Landwirtschaft. Kleinere Schläge ergeben eine positive Nutzungsvielfalt, die auch vielfältige Potenziale für Klima und Biodiversität und zugleich für bäuerliche Betriebe haben können: Auf der Ebene des landwirtschaftlichen Betriebs belegen viele Studien, dass die Bindung von Treibhausgasen durch den Boden viel effizienter ist, wenn die Böden nach den Prinzipien der Agrarökologie bearbeitet werden. Diese maximiert die Biodiversität und fördert die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Pflanzen und Tieren als Teil ganzheitlicher Strategien zum Aufbau langfristiger Fruchtbarkeit, zur Verringerung des Schädlings- und Krankheitsrisikos, zum Schutz von Wassersystemen und zur Sicherung von Bestäubungsleistungen. Sie produziert und erhält nicht nur gesunde Agrarökosysteme, sondern umfasst auch die Einbindung vieler arbeitender Menschen, die dadurch in der Landwirtschaft ihren Lebensunterhalt sichern können. Auch deshalb müssen kleinbäuerliche Betriebe unterstützt werden. Folglich müssen daher in einem umfassenderen Rahmen auch die Importe und Exporte von Agrarprodukten drastisch reduziert und die regionale Produktion gefördert werden. Zentral bleibt dabei: ohne eine vielfältige und gesicherte bäuerliche Landwirtschaft sind eine ökologische Zukunft und die geforderten „öffentlichen Leistungen“ nicht zu haben.
Wir sind überzeugt, dass dieser Weg richtig ist – auch wenn wir eine Förderung nach Arbeit statt nach Fläche bevorzugen würden. Wir brauchen neue Perspektiven für die Landwirtschaft, für die Höfe und für die Bauern und Bäuerinnen. Mit unserer Forderung wird ein Schritt möglich, um gangbaren Lösungen näherzukommen.
Das Problem in Österreich ist derzeit aber eine Agrarvertretung, die so sehr auf das „Weiter-wie-bisher“ fixiert ist, dass sie die Realität der Höfe völlig aus den Augen verliert. Druck von der Basis und Allianzen mit breiten gesellschaftlichen Gruppen sind deshalb unsere Chance. Deshalb freuen wir uns über jegliche Unterstützung.
Unser Kernanliegen ist, jetzt die Einkommenslage zu verbessern und eine Umverteilung zu erreichen, als Basis für eine zukunftsfähige, sozial gerechte und ökologische Landwirtschaft. Dann kann die Landwirtschaft Teil der Lösung angesichts der Vielfachkrisen sein.
Nähere Informationen
Petition: “Doppelte Förderung der ersten 20 ha“: https://www.viacampesina.at/doppelte-foerderung-der-ersten-20-ha/
Video: https://youtu.be/Xv5lkwo28bs
Über den Autor
Franziskus Forster ist Politischer Referent bei der Österreichischen Berg- und Kleinbäuer_innen Vereinigung (ÖBV-Via Campesina Austria)