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18.2.2021
Corona – Die Lasten müssen gerecht verteilt werden
Noch redet niemand darüber, wer die Maßnahmen während der Corona-Krise und für den Weg daraus zahlen soll. Aber diese Diskussion steht uns bevor und es ist Zeit, mutige Vorschläge zu machen und für diese zu kämpfen. Ein solcher Vorschlag ist der Corona-Lastenausgleich von ATTAC.
Seit mehr als einem Jahr hält die Corona-Pandemie die Welt in Atem. Die Lasten der Pandemie und der damit einhergehenden Krise sind schon heute in Österreich und weltweit extrem ungleich verteilt. Während Tiroler Hoteliers nach Südafrika zum Golfen jetten, sind Pfleger*innen längst an ihre Grenzen gelangt, hunderttausende Arbeitslose müssen mit 55 Prozent ihres einstigen Nettogehalts über die Runden kommen. Und während die Corona-Krise für die überwältigende Mehrheit belastend, beängstigend und herausfordernd ist, werden die Überreichen noch reicher[1] und die Ungleichheit wächst. Aber nicht nur hier und heute betrifft die Pandemie Menschen sehr unterschiedlich. Die enormen Summen, die Staaten aufwenden mussten, um einen Zusammenbruch von Wirtschaft und Finanzmärkten zu verhindern, schlagen sich in einer stark wachsenden Verschuldung der öffentlichen Hand nieder.
Vermögenssteuern sind nicht genug
Noch redet niemand über Kürzungen der öffentlichen Haushalte, aber wenn wir nicht wie nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 wieder ein Jahrzehnt der Kürzungen und Austerität beginnen wollen, dann müssen wir schon jetzt offensiv die Auseinandersetzung um die Verteilung der Lasten und den Weg aus der Krise beginnen.
In der Vergangenheit wurde in Österreich meist über die Einführung einer Vermögenssteuer diskutiert. Im Gespräch waren dabei Steuersätze von etwa 1% für Vermögen ab 500 000 Euro oder auch etwas mehr. Die Profiteur*innen dieses Systems waren dabei immer recht erfolgreich, eine scheinbare Interessengleichheit zwischen sich und den Mittelklassen zu ziehen. Die Wohnungseigentümer*innen und Häuselbauer*innen beginnen zu rechnen, sind auch sie betroffen, oder werden sie es einmal sein?
Nicht nur sind diese Ängste meist unbegründet, der Vorschlag geht am Kern des Problems vorbei. Eine Vermögenssteuer von 1 Prozent würde die sich immer verschlimmernde Ungleichheit nicht umkehren, sondern nur verlangsamen – das gilt besonders für die Überreichen, deren jährliche Vermögenszuwächse meist deutlich über einem Prozent liegen. Statt 8 Prozent Vermögenszuwachs gäbe es dann eben „nur“ 7 Prozent Zuwachs. An dem grundsätzlichen Problem, dass sich eine kleine Zahl von Überreichen einen immer größeren Teil des gesellschaftlich geschaffenen Reichtums aneignet, ändert sich so nichts.
Lasten ausgleichen – Ungleichheit bekämpfen
Hier kommt der Vorschlag von ATTAC für einen Corona-Lastenausgleich der Reichsten[2] ins Spiel. Der Lastenausgleich ist keine Alternative zu einer fortwährenden Besteuerung großer Vermögen, sondern ein praktisches Modell, um den Weg aus der Krise gerecht zu gestalten und den jahrelangen Trend zu immer ungleicheren Vermögen umzukehren. Konkret schlägt ATTAC eine einmalige progressive Vermögensabgabe für Vermögen über 5 Millionen Euro vor. Vermögen ab 5 Millionen Euro sollen 10 Prozent, Vermögen ab 100 Millionen Euro 30 Prozent und Vermögen ab einer Milliarde Euro jeweils einmalig 60 Prozent als Beitrag leisten.
Betreffen würde eine solche Maßnahme nur das reichste Prozent, das über 40 Prozent des gesamten Vermögens in Österreich besitzt und ganz besonders die rund 40 Milliardär*innen in Österreich. Niemand außer denen, die Jahrzehnte lang von unser aller Arbeit überreich geworden sind, braucht sich davor zu fürchten.
Die Abgabe würde in Raten über 5 Jahren – bei Betriebsvermögen über 15 Jahren – abgezahlt werden. Schulden werden gegengerechnet, und bei Betriebsvermögen werden jährlich Lohn- und Sozialabgaben für angestelltes Personal in Österreich abgezogen. Das sichert, ja fördert sogar Arbeitsplätze und Neuanstellungen.
Nach Berechnungen aus dem Frühjahr 2020 würden so etwa 70 bis 80 Milliarden Euro für den öffentlichen Haushalt zusammenkommen. Das wäre zunächst mehr als genug, um die bisherigen Maßnahmen in der Corona-Krise zu finanzieren – bisher etwa 31 Milliarden Euro[3] – und dingend anstehende Ausgaben für den sozialen und ökologischen Umbau unserer Gesellschaft ermöglichen.
Lastenausgleich radikal und realistisch
Ein solcher Vorschlag mag auf den ersten Blick radikal und unrealistisch erscheinen. Tatsächlich braucht es aber eine Politik die der Größe der Herausforderung angemessen ist. Der Corona-Lastenausgleich kann sich dabei auch auf historische Vorbilder berufen. Nach dem zweiten Weltkrieg führte Deutschland einen Lastenausgleich auf Grund-, Betriebs- und Finanzvermögen von 50 Prozent ein, um die Kosten für den Wiederaufbau zu finanzieren. Heute stehen wir zum Glück nicht vor den Trümmern eines katastrophalen Krieges. Statt eines Wiederaufbaus braucht es aber angesichts der tiefen ökologischen Krise einen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Dafür benötigt es einerseits die finanziellen Ressourcen und andererseits eine tiefgreifende Änderung unserer gesellschaftlichen Strukturen. Für beides bietet der Corona-Lastenausgleich Ansätze, indem er dringend notwendige Finanzmittel frei macht und gleichzeitig zu mehr Gleichheit in unserer Gesellschaft beiträgt.
Angesicht der Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft steht, ist der Corona-Lastenausgleich nicht radikal, sondern gerade realistisch. Damit er auch Wirklichkeit wird, braucht es vor allem eines: gesellschaftlichen Druck von unten. Bisher haben schon über 13 000 Menschen für den Lastenausgleich unterschrieben. Das ist ein guter Anfang, doch um eine so weitreichende Maßnahme durchzusetzen, braucht es eine breite Bewegung für einen solidarischen Weg aus der Krise. Der Lastenausgleich bildet einen praktischen Anker dafür.
(Anm.d.Red.: Die Petition für einen „Corona-Lastenausgleich der Reichsten“ kann hier unterzeichnet werden: https://www.attac.at/kampagnen/die-corona-krise-solidarisch-bewaeltigen/corona-krise-jetzt-beitrag-der-reichsten-fordern)
Quellen:
[1] https://oxfamilibrary.openrepository.com/bitstream/handle/10546/621149/bp-the-inequality-virus-summ-250121-en.pdf
[2] https://www.attac.at/kampagnen/die-corona-krise-solidarisch-bewaeltigen/corona-krise-jetzt-beitrag-der-reichsten-fordern
[3] https://apps.derstandard.at/privacywall/story/2000123627530/oesterreich-macht-am-meisten-fuer-corona-hilfen-locker
Über den Autor
Martin Konecny ist Politikwissenschafter und bei ATTAC aktiv